„Mach es gut und hab Spaß!“, Tjorben und ich drückten uns einmal kurz und dann verließ ich das Grundstück. Es war 13 Uhr mittags.

Ich war motiviert. Ich liebte es, meinen Rucksack zu packen, all meine Sachen zu verstauen und unabhängig zu sein. Ich stellte mich an die Bushaltestelle und wartete.

Ab jetzt hatte ich auch kein Internet mehr, alles weitere musste mit meinem Spanisch und den paar Informationen, die ich hatte, klappen. Irgendwie musste ich es jetzt bewerkstelligen, von der Bushaltestelle ins 1500 Kilometer entfernte Trujillo zu gelangen. Ich hatte weder Angst, noch schreckten mich lange Busfahrten ab. Es machte einfach so einen Spaß, zu reisen.
Ein Bus nach Otavalo kam, ich stieg ein und stieg an der Panamericana wieder aus. An der riesiegen 6-spurigen Autobahn wartete ich wieder auf irgendeinen Bus. Dann nach fünf Minuten fuhr einer vorbei, der Beifahrer lehnte sich aus dem Fenster und ich schrie: „Quito?“, er nickte, der Bus fuhr rechts ran und ich stieg ein. Einen Bus, der drei Stunden in die Hauptstadt fährt, hatte ich mir einfach spontan herbeigewunken. Die Fahrt kostete 3,-€.
Ich kam um 16 Uhr in Quito am Busbahnhof an, ging zu einer langen Meile mit den Schaltern der vielen Busunternehmen und fragte mich nach einem Bus nach Loja durch, eine Stadt im Süden Ecuadors. Ich buchte ein Ticket, der Bus würde um 20 Uhr losfahren. Es hieß also noch vier Stunden warten. Neugierig verließ ich den Busbahnhof und suchte ein Restaurant, in das ich mich für die Zeit setzen könnte. Nicht weit entfernt, bat mich ein Restaurant-Besitzer zu sich herein. Ich setzte mich gegenüber von meinem Rucksack, bestellte eine Limonada und schrieb an meinem Blog.

Nach drei Stunden ging ich wieder und setzte mich am Terminal an die Buchten, in denen die Busse hielten. Der Busbahnhof hatte sogar einen aufwändig gegärtnerten Maria-Schrein.

Der Bus kam, ich stieg ein und machte es mir bequem. Dann begann die zwölfstündige Nachtfahrt nach Loja. Ich bekam maximal eine Stunde Schlaf. Ich saß ganz hinten und konnte jeden hell erleuchteten Handybildschirm im Bus sehen, es blendete sehr. Ich hatte auch leider eine Sitznachbarin und musste die ganze Busfahrt in einer zusammengekauerten Sitzposition ausharren. Es fühlte sich an, wie eine Zwangsjacke.
Am nächsten Morgen um 7:30 Uhr erreichte ich Loja. Ich stieg aus und fragte einen Polizisten, wo denn die Busse nach Peru fahren. Freundlich und zugewandt, zeigte er mir den versteckten Eingang zur Halle. Alle Terminals sind gleich aufgebaut. Eine lange Halle, auf der einen Seite die Schalter der Busanbieter, auf der anderen Snackshops und Bistros. Ich fragte mich erneut zum richtigen Anbieter durch und buchte ein Ticket nach Piura, die größte Stadt in Perus Norden. Abfahrtszeit: 23 Uhr. Ich musste also irgendwie 15 Stunden überbrücken. Also setzte ich mich erstmal in eines der Restaurants und bestellte ein amerikanisches Frühstück. Es gab ein ungewürztes Rührei, ein Käsetoast, einen schwarzen Kaffee und einen Saft. Sehr amerikanisch, toll!

Ich nahm ein Taxi ins Zentrum und setzte mich in der Morgensonne auf eine Bank im Parque Simon Bolivar.

Dort war es wunderschön, viele geschäftlich gekleidete Menschen liefen vorbei, Vögel zwitscherten, es war angenehm warm. Ich erkannte, dass ich mich aus reiner Ahnungslosigkeit dort hinsetzte. Ich war müde und wusste nicht, was ich tun sollte. Ich saß eine Stunde dort, blickte umher und dachte an nichts.
Irgendwann stand ich auf und ging weiter, in einem Hostel bat ich um Wlan und checkte die Lage. Wo war ich und was könnte ich mir angucken? Ich durfte meinen Rucksack hinter der Rezeption zwischenlagern und ging weiter. Ich setzte mich in ein Fischrestaurant, was mir der Taxifahrer empfohlen hatte. Dort bestellte ich eine Encebollado, die Thunfischsuppe. Sie war noch besser als in Cotacachi.

Danach ging ich zum Puerta de la Ciudad, Loja war eine große Kolonialstadt. Die Gebäude waren wunderschön und überall wurde Simon Bolivar, dem Befreier gedacht.


Ich ging zum zentralen Markt und folgte den Schreien der Mixer. Auf jedem Markt gab es eine Ecke, in der man frische Säfte bekam. Ich unterhielt mich mit der Frau, die mir einen leckeren Ananas-Orangen-Saft machte, bei ihr konnte man auch Cerveza con huevo bekommen. In Loja ist das eine Spezialität: ein Bier mit rohem Ei gemixt. Wie kann man nur?
Die Unterhaltung lief gut, sie verstand, was ich sagte und freute sich, ich war stolz, mein Spanisch wurde besser und besser.
Danach ging ich zurück und ich hatte keine Lust mehr auf Erkundungstour, ich war vor allem müde. Ich fragte im Hostel nach einem Zimmer für tagsüber und tatsächlich: für 13,- € bekam ich eins. Den Rest des Tages verbrachte ich im gemütlichen Hostelzimmer, holte Schlaf nach und nahm eine heiße Dusche. Das Zimmer war groß, so konnte ich noch etwas Sport machen.

Das war nötig gewesen. Ich packte wieder zusammen, checkte aus und nahm mir ein Taxi zurück zum Terminal. Dort aß ich noch einen frittierten Fisch, dieser war paniert aber voller Gräten, das Essen kann ich nur als unangenehm beschreiben. Aber die Salatbeilage war gut.

Ich wartete in der Halle und unterhielt mich eine Weile mit einem Ecuadorianer. Es machte immer mehr Spaß, spanisch zu sprechen, die Menschen freuten sich, wenn man bemüht war und halfen einem immer aus.

Er half mir noch, den richtigen Bussteig zu finden und dann stieg ich ein. Fahrtdauer: sieben Stunden.
Um 3 Uhr nachts hielt der Bus plötzlich, die Kabinentür ging auf und der Fahrer rief: „Migraciones por favor“, alle Fahrgäste stiegen aus, ich folgte. Es ging in ein großes Gebäude, ich verstand, das war jetzt die Grenzüberquerung. Wir stellten uns am ecuadorianischen Schalter zur Ausreise an, es dauerte ewig. Der Sachbearbeiter sah aus, als hätte er das noch nie gemacht.

Danach stellten sich alle am peruanischen Schalter zur Einreise an, es dauerte noch einmal genau so lange. 1,5 Stunden und ein paar Stempel später, ging es dann endlich weiter.
Um 6 Uhr kam ich in Piura an. Ich war unendlich müde, Schlaf hatte ich auch wieder keinen gekriegt. Direkt vor der Tür, sodass man kaum aussteigen konnte, standen unzählige Taxifahrer und brüllten „Taxi! Taxi!“, ich kannte das zwar schon aber jetzt war ich wirklich genervt. Ich drengelte mich vorbei und machte unmissverständlich klar, dass ich erst meinen Rucksack holen möchte und einen Moment brauchte. Keine Reaktion. Das war echt anstrengend. Nachdem ich mich etwas gesammelt hatte, stimmte ich dann einem Taxifahrer zu, der brachte mich erst zu einem Geldautomaten, der fürs Abheben eine Gebühr von 10,-€ verlangte, dann brachte er mich zum Terminal von Cruz del sur, das war in Peru mein Lieblingsbusunternehmen. Dort erwarb ich dann ein Ticket nach Trujillo, der Bus sollte um 14:30 starten.
Ich ging ins Zentrum und setzte mich in ein vegetarisches Lokal, das erste Gericht auf der Karte: Rindfleischsuppe. Andere Welt. Ich erhielt wieder ein schlechtes Frühstück. Danach setzte ich mich auf den Plaza im Bankenviertel und kam etwas zur Ruhe.

Doch irgendwann gingen mir die vielen Wanderverkäufer, die im Minutentakt vorbei liefen, auf die Nerven.
Ich aß noch ein gutes Cevichocho zum Mittag, das ist klassisches Ceviche mit Chocho, den gekochten Bohnen der Lupinenpflanze.
Ich wechselte die Straßenseite zum Terminal, stieg in den Bus und genoss den Premiumplatz oben ganz vorne.

Neben mir saß eine 24-jährige Peruanerin und wir unterhielten uns die ganze 8-stündige Busfahrt. Ich lernte eine Menge spanisch in dem Gespräch, sie arbeitete im Vertrieb einer Firma, die im ganzen Land frittierte Bananenchips in Tüten verkauft, so reiste sie viel umher. Sie war über Ostern bei ihrer Familie und fuhr nun zurück nach Lima.
Um 22:30 kam ich dann endlich in Trujillo an. Ich fuhr mit dem Taxi zum Hostel und legte mich im Vier-Bett-Zimmer ins Hochbett und schlief friedlich und wohlverdient ein. Drei Tage hatte ich gebraucht, 1500 Kilometer Busfahrt hinter mir und insgesamt vielleicht 10 Stunden Schlaf bekommen.
Ich hatte keine Angst, meine Geduld und das Vertrauen ins Leben hatten mich heil hergebracht. Solange ich mich dabei habe, ist alles gut. Ich war Eroberer geworden, der Eroberer meiner Welt.